AL, KL, KI, AI – oder doch lieber "Robotik"?
Betrachtungen über "Artificial Life" in Anlehnung an die Ringvorlesung "Bodies that matter? Körperkonzepte in der Artificial Life- und Robotikforschung" am 13.9.
"Körperkonzepte in der Artificial-Life- und Robotik-Forschung", das klang spannend – war ich doch gerade erst über eine Hausarbeit von Kommilitonen zum Thema "Artificial Life" gestolpert, die mir auf unterhaltsame Art einen umfassenden Einblick gewährt hatte. Leider geriet der Vortrag der gestrigen Ringvorlesung nicht so unterhaltsam. Nun ja, ich hatte auch gerade einen Tag zuvor einen exzellenten Vortrag zum Thema "Wie halte ich einen Vortrag?" gehört und damit ein mustergültiges Beispiel vor dem inneren Auge – die Messlatte lag also ziemlich hoch. Immerhin war die anschließende dreiviertelstündige Diskussion ganz interessant, durchaus kontrovers, auf jeden Fall aber sehr angeregt.
Was ist nun eigentlich "Artificial Life"? – Im 18. Jahrhundert wurden Menschen und Tiere als eine bestimmte Klasse von Automaten angesehen und eine mechanische Ente, die fressen, schnattern und kacken konnte, als künstliches "Leben" gepriesen. Artificial Life (Künstliches Leben) heute hat – bislang – nichts mit Genetik oder Reproduktionsmedizin zu tun, vielmehr geht es vor allem um die Ähnlichkeit der dem Computer bzw. Organismen innewohnenden Logik.
AL (KL) – die Abgrenzung zur Künstlichen Intelligenz (KI, engl. AI) ist nicht ganz klar – ist Gegenstand einer noch recht jungen, erst vor etwa fünfzehn Jahren entstandenen Forschungsrichtung, interdisziplinär angesiedelt zwischen Physik, Mathematik, Informatik, Biologie und Kognitionspsychologie. Die – meist männlichen – Forscher definieren "Leben" auf verschiedene Arten, z.B. "Leben ist eine Eigenschaft der Form, nicht der Materie", "Leben ist das Resultat der Organisation von Materie" oder "wesentliches Merkmal von Leben ist die Informationsverarbeitung". Alles Ansätze, die nicht zufällig deutliche Parallelen zum Computer aufweisen.
Ein alter Traum der "Männschheit" scheint wahr zu werden: Leben zu erschaffen, eine Koevolution von Mensch und Maschine in Gang zu setzen. Als Beweis, tatsächlich Leben erschaffen zu haben, führen die Forscher oft das Auftreten von "Emergenz" ins Feld. Emergenz lässt sich nicht eindeutig definieren: es kann die unvorhersehbare Entstehung von etwas Neuem bedeuten oder z.B. das komplexe Verhalten eines Schwarms, dessen einzelne Mitglieder nach ganz einfachen Regeln funktionieren. Nach Ansicht der Referentin Jutta Weber "ist Emergenz vielleicht auch einfach der Begriff für alles Verhalten, das die Forscher sich nicht erklären können".
Unter AL versteht die Wissenschaft heute mehr oder minder "intelligente" (was auch immer Intelligenz eigentlich ist) Roboter oder auch reine Software-"Lebewesen", die flexibel sind, auf ihre Umwelt reagieren, sich weiterentwickeln und reproduzieren können. Die mit AL-Ansätzen arbeitende Robotik will Prinzipien des Lebendigen in mechanische Systeme übertragen; Roboter sollen zu autonomem Verhalten in komplexen Umgebungen befähigt werden. ls Anwendungsbeispiel wird oft die Alten- oder Krankenpflege angeführt. Zwar fehlt dabei der lebensnotwendige zwischenmenschliche Kontakt, andererseits könnten aber auch problematische Machtgefälle zwischen Pflegepersonal und PatientInnen vermieden werden, so Jutta Weber. Offenbar war die Angst vor dem Alter, Gebrechen und Tod doch eine wesentliche Triebfeder für AL-Forscher: Roboter scheinen so viel robuster zu sein als der instabile menschliche Körper – die lästige biochemische "Wetware".
Links:
http://www.informatik.uni-bremen.de/~pkoenig/ALifeOB.pdf – Hausarbeit "Artificial Life – Risiken und Nebenwirkungen"
Pictures:
http://www.nyu.edu/pages/linguistics/courses/v610051/gelmanr/cult_hist/text/p240.html – Jacques de Vaucansons "mechanische Ente"
http://www.ai.mit.edu/projects/humanoid-robotics-group/kismet – z.B. "disgust"
http://www.ai.mit.edu/projects/humanoid-robotics-group/coco
Rike
von Rike