Heute mal ein Reisetipp:
Meinen diesjährigen Urlaub habe ich im Mittelalter verbracht. Und bei den Sowjets. Komische Mischung, hat aber durchaus Charme: Mit Ryanair und Freund im Gepäck ging es nach Tallinn. Das ist die kleine Hauptstadt Estlands, an der Ostseeküste gelegen und nur eine Fährfahrt von Helsinki entfernt. Aber dazu später mehr.
In Tallinn angekommen, erwartet einen außerhalb des Flughafens erstmal Ostblock-Style. Der Vorhang hinter dem Busfahrer, die Gebäude, das trübe Wetter, durch das man alles wie durch einen leicht nebligen Filter sah … erinnerte mich an die späten 80er, Anfang 90er, was tatsächlich auch die Zeit ist, zu der Estland endlich unabhängig wurde.
Mit dem Bus ging es dann in die Innenstadt. Wir stiegen vor einem großen Shoppingcenter aus (das hatte dann schon fast Ami-Style) und suchten uns von dort den Weg zum Hostel. Was wir schnell gelernt haben: Alles ist noch viel näher dran, als man es vermuten würde. Drei Häuserblöcke entfernt auf der Karte? Maximal 2 Gehminuten in Tallinn, so ungefähr. Wir haben es mehrmals geschafft, versehentlich mal eben um die halbe Altstadt zu laufen, obwohl wir nur zwei Straßen weiter mussten. Groß ist Tallinn also nicht – zum Glück. Ein Tagesticket für den Bus und ähnliches kann man sich sparen.
Wir haben uns dann den Weg zum Hostel gesucht, das direkt am Eingang der Altstadt liegt. Und damit sind wir schon beim Highlight: Tallinn hat so ziemlich die schönste und am besten erhaltene Altstadt, die ich je gesehen habe! Ein echter Schatz am Rande Europas. Die ursprüngliche Stadtmauer ist sehr gut erhalten, überall sind Türme, süße Häuschen, Kirchen, enge Gassen, Kopfsteinpflaster … Traumhaft.
So haben wir sechs Tage damit verbracht, durch die Altstadt zu schlendern, Museen anzuschauen, Aussichtsplätze zu genießen und auch ein bisschen das Umland zu erkunden. Die Highlights möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:
– Kostenlose Stadtführung: Jeden Tag um 12 Uhr Mittags organisieren die netten Leute des „like a local guide“ eine kostenlose Stadtführung auf Englisch. Wir hatten eine sehr nette junge Studentin, die uns zwei Stunden lang an die schönsten Plätze führte und uns Geschichten und Anekdoten über Tallinn erzählte. Am Ende wird ein bisschen Trinkgeld eingesammelt.
– Die Organisatoren der Stadtführung bieten auch sonst eine ganze Menge, zum Beispiel diesen Online-Reiseführer: http://likealocalguide.com/tallinn Dort findet man Tipps für Essen, Übernachtung, Kultur etc. von „echten Einwohnern“ – also kein Werbeheft, sondern nur selbst getestete Empfehlungen.
– Reval Cafe: Dort sind wir zufällig bei einem heftigen Regenschauer gelandet. Unfassbar leckere Törtchen und Kuchen, ein wunderbarer Früchtetee und vieles mehr bekommt man da zum kleinen Preis und in sehr gemütlicher Atmosphäre. Mit Erstaunen stellten wir fest, dass das Reval eine kleine Kette ist und sogar im Einkaufszentrum zu finden war – macht aber nichts, wir fanden es trotzdem super. http://www.revalcafe.ee
– Krug’s Inn: Auf dem großen Marktplatz an der Seite der Stadthalle wird man auf Old English begrüßt und hat die Wahl zwischen selbstgebrautem Bier, Meat und Mushroom Pies und einer super leckeren Elchsuppe im Tonkrug. Sehr günstig, und vor allem: Komplett im Mittelalterstil, von der Musik über Inneneinrichtung (dunkler Raum mit Kerzen und Holzschemeln) bis zum Klo (keine Angst, im Plumpsklo-Ambiente versteckt sich dann unter der Holzverkleidung doch eine moderne Toilette …).
– Das Haus des Präsidenten – lustigerweise darf man tatsächlich bis vor die Tür. Dort stehen zwei Wachen im Buckingham-Palace-Stil. Der Präsident wohnt mitten in einem Park östlich der Stadt, und angeblich sieht man ihn dort auch mal Joggen. Wenn das mal nicht volksnah ist.
– Das alte Kloster in Pirita. Es stehen nur noch die Grundmauern, das ganze ist dennoch sehr eindrucksvoll. Man kann außerdem in zahllose Kellerlöcher krabbeln und wer mutig ist, geht in den Kellerraum im Osten des Geländes – da gibt es kein Licht, nur eine Treppe ins Dunkel hinter einem angelehnten Eisengitter. Macht ein bisschen Blair-Witch-Project-Feeling, bis man das Fenster findet und wieder in die Freiheit schauen kann.
– Ein Tagestrip nach Helsinki, mit der Fähre ab Tallinn in ca. 2 Stunden. Unser Fazit: Nett. :-) Zwar schön anzusehen, aber sehr, sehr teuer, und kann meiner Meinung nach nicht mit dem beschaulichen Tallinn mithalten, was schöne Gebäude angeht. Zum Ausgehen und Shoppen sicher toll – wenn man es sich leisten kann.
– Museen, Museen, Museen: Findet man in Betonkästen und mittelalterlichen Türmen. Am besten schaut man sich was zur Geschichte Tallinns an. Vor den Sowjets waren das nämlich unter anderem: Die Deutschen. So findet man auch noch plattdeutsche Schilder und die Museumsangestellte ist beeindruckt, wenn man akzentfrei vorlesen kann.
Fazit: Tallinn ist eine echte Perle und auf jeden Fall eine Reise wert. Wunderschöne Altstadt, Sowjet-Stil drumherum, günstig und alles ist gut zu erreichen – was will man mehr?
Jacqueline