Organisationen: Balance zwischen den Polen

Entscheidungen ohne Grund

CoverWie kann man Organisationen verstehen? Diese wilden, komplexen, dynamischen Systeme voller unterschiedlicher Menschen?

Fragst Du Dich: Wie konnte es zu dieser Entscheidung kommen? Warum ist der gewünschte Effekt nicht eingetreten, obwohl doch jeder Schritt wohlüberlegt war?

Nichts wird in Organisationen mehr diskutiert als Entscheidungen. So wartet man gefühlt eine halbe Ewigkeit darauf, dass „mal“ eine getroffen wird. Ist es dann soweit, fällt sie auch noch anders aus als gedacht. Dabei haben doch im Vorfeld unzählige Menschen sehr bemüht versucht, Fakten zu sammeln – denn Fakten sollen ja zu Objektivität verhelfen. Stellen sich die Folgen der Entscheidung als positiv heraus, wird die Person, die sie getroffen hat, in den Himmel gelobt. Ist das Gegenteil der Fall, wird sie womöglich vom Hof gejagt. Eigentlich war doch alles „rein objektiv“?

Kurz: Organisationen agieren oft auf unsicherem Grund. Wie lässt sich dieses allzu bekannte Muster erklären?

Vermeintliche Widersprüche werden im Buch mit der Sicht auf Entscheidungen entschlüsselt, denen Menschen in Organisationen im Alltag ständig begegnen. Dabei liefern die Autoren Erklärungen, die den Dynamiken in modernen Organisationen gerecht werden und helfen, sie zu verstehen. Hier gibt es kein propagiertes Vorgehensmodell, keine Zusammenarbeitsformel – sondern eher eine organisationspsychologische Unterfütterung für das Verstädnis. Was ja zur Lösung beiträgt bzw. dieser voraus geht. So kann man leichter eine maßgeschneiderte Lösung selbst erarbeiten, die mehr von diesen komplexen und schwer steuerbaren Veränderungsvorhaben zum Erfolg verhilft.

Das Buch richtet sich an Berater:innen. Ich finde, man kann es auch gut lesen, wenn man sich einfach nur die oben genannten Fragen stellt und sich das Leben leichter machen möchte…

Wieso hilft mir das?

Organisationen (Firmen, Behörden, Unternehmen, …) werden hier verstanden als Prozess. Veränderung wird verstanden als Stabilisierung, die notwendig ist, um die Balance zu halten in einer veränderlichen Umwelt. Es gibt eine Reihe von „Leitunterscheidungen“, jede besteht im Grunde aus gegensätzlichen Polen (wie Beibehalten – Ändern oder Kontrolle – Vertrauen). Und es gibt kein „Richtig“ und kein „Falsch“ zwischen diesen Polen, sondern eine Balance muss über die Zeit hinweg immer wieder neu gefunden werden. Oder stellt sich selbst (wieder) her.

Eine Reihe Praxisbeispiele zielt darauf ab, die Theorie greifbarer zu machen. Insgesamt sind die Beispiele gelungen, nur bei dem einen oder anderen hat sich mir der Zusammenhang zur Leitunterscheidung nicht so recht erschlossen.

Einen Eindruck vom Stil liefert dieses Zitat: „Die Zusammenhänge sind … zirkulär. Die Verweislogiken der Leitunterscheidungen sind multikausal und überdeterminiert.“

Ein paar Kernsätze zum „Eigentlichen“:

  • Kommunikation ist immer der Kernprozess jeder Organisation
  • Soziale Systeme kommen nicht ohne Konflikte aus (Hurra! Es liegt nicht an mir ;-))
  • Alles Passende erzeugt auch Unpassendes (Entscheidungen haben immer Verlierer:innen oder Nachteile)
  • Es gibt keine konsistenten / widerspruchsfreien Zielkonzepte (jede Entscheidung tut weh, es ist immer ein Abwägen, es gibt nie genug Infos für eine 100% sichere Entscheidung – sonst wäre es keine Entscheidung)

Fazit: Sehr theoretisch, dabei schimmern immer wieder faszinierende Einsichten durch. Nachdenkenswert im besten Sinn.

Einen Eindruck vom Inhalt bekommt man unter www.metatheorie-der-veraenderung.info

Themen

  • Organisationsdynamik
  • Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
  • Vernetzung
  • Viel- und Doppeldeutigkeiten
  • Komplexität
  • Unkalkulierbarkeit
  • Unsicherheit als wesentliche Ressource
  • Sozialkomplexität
  • Konflikte
  • Konsequenzen für Beratung in Organisationen

Klaus Eidenschink und Ulrich Merkes: „Entscheidungen ohne Grund – Organisationen verstehen und beraten. Eine Metatheorie der Veränderung“. Vandenhoeck & Ruprecht 2021. 15,- EUR. ISBN 978-3-525-40759-2.

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