Mensch und Architektur: Fraktale Bauten
Was passiert, wenn man durch eine eintönige Stadt bewegt? Was, wenn man in der Natur unterwegs ist? Was passiert mit uns als Mensch, wenn wir in einer Altstadt oder eine gut erhaltenen Kleinstadt schlendern?
Aenne Brielmann vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, Nir H. Buras, Nikos A. Salingaros und Richard P. Taylor haben sich mit der spannenden Frage „What Happens in Your Brain When You Walk Down the Street?“ beschäftigt und ihre Beobachtungen in einer Studie zusammengefasst.
Und was lerne ich nun?
Formen in der Natur haben – wie Benoît Mandelbrot herausfand – häufig eine fraktale, d. h. selbstähnliche Struktur. So sieht z. B. ein ellenlanger Teil einer Felsküste so aus wie ein kilometerlanger Bereich. Hat man keine Referenz, kann man gar nicht sagen, wie groß das ist, was man da sieht. Diese natürliche Struktur kommt überall vor und hat sich auf unser Gehirn, unsere Psyche und Wahrnehmung ausgewirkt, was Evolution eben so macht…
Sieht man sich Fachwerkhäuser mal genauer an, merkt man schnell: Sie weisen ebenfalls eine fraktale Struktur auf. Ein Haus enthält Stockwerke, darin sind wieder kleinere Elemente zu entdecken (Gefache), darin wieder weitere (z. B. Ziegel). Menschen gehen in solchen Vierteln sehr gern flanieren. Übrigens sehen sich Menschen bei Gebäuden immer zuerst den Eingang und die Fenster an. „Versuchspersonen schauen dann sogar lieber in den Himmel als auf große Flächen, weil dieser Anblick soviel kognitiven Stress auslöst“, so Forscher Justin Hollander.
Gemessen wird mit Methoden der Wahrnehmungspsychologie. Und Brielmann und Co. schreiben: „Eine natürlich strukturierte Umgebung kann vom Gehirn leichter verarbeitet werden. Wegen der fraktalen oder anderer Symmetrien kann ein menschliches Gehirn ein […] traditionelles Gebäude so leicht verarbeiten wie einen Baum.“ Das wissen Viele ja gar nicht: Dass die Geometrie der Umgebung mit ihren visuellen Botschaften bei uns Stress hervorrufen kann. Die Interpretation des Forschungsteams: „Was wir rasch verstehen können, beruhigt uns.“ Wie wahr.
Kein Wunder also, wenn ich mich in alten Städten sofort wohlfühle. Ganz im Gegensatz zu modernen Glas- und Betonwüsten.
Die Idee ist nun, dass sich auch moderne Architektur an diesen Erkenntnissen orientiert. Denn wo sich Menschen wohlfühlen, wird auch die Stadt lebenswert. Und dann passieren ganz viele positive Dinge. Reine Neurologie, so funktionieren Menschen. (Mehr dazu: Biophilia).
Übrigens gibt es natürlich einen Forschungszweig dazu: „Kognitive Architektur“. Spannend! Empfohlene Literatur: „Cognitive Architecture: Designing for How We Respond to the Built Environment“ von Ann Sussmann und Justin Hollander.
Mehr Infos:
- Naturnahe fraktale Architektur & Wohlbefinden: https://wissenblog.de/naturnahe-fraktale-architektur-foerdert-wohlbefinden
- Studie „What Happens in Your Brain When You Walk Down the Street?“ unter www.mdpi.com/2413-8851/6/1/3