Co-Creation Learning
Das Buch besteht aus zwei Teilen. Teil 1 gibt einen Überblick über die Weiterbildungslandschaft (der Zukunft), Teil 2 geht auf das Lernkonzept Flipped Classroom ein. Beide Teile nehmen etwa gleich viele Seiten ein. Kernfrage: Wie soll berufsbezogenes Lernen nach der Grundausbildung aussehen?
Der erste Teil zitiert Studien und ordnet neue Anforderungen an Weiterbildung in die bestehende Landschaft ein. Die veränderte Arbeitswelt, die vor allem seit der Pandemie Realität geworden ist, ist dabei ein Ausgangspunkt. Dabei werden u. a. auch (neue) Ansprüche an Unternehmen und Führungskräfte genannt. Einige Konzepte und Ideen werden kurz vorgestellt, u. a. agile Unternehmen, Soziokratie, New Work / Arbeitswelt 4.0, Servant Leadership. Aus psychologischer Sicht kommen einige Aspekte dazu, z. B. Kohärenz und Salutogenese, aber auch Selbstorganisation.
Lernkonzept Flipped Classroom stammt ursprünglich aus der Schuldidaktik. Dabei wird die Erarbeitungsphase aus dem Unterrichtsraum in den privaten (Lern-)Bereich des Lernenden verlagert. Ziel ist, das in der Vorbereitung erworbene Wissen in den Unterricht mitzubringen und so zu einem größeren Lernerfolg zu kommen. Das Buch greift dieses Prinzip für den Weiterbildungsbereich auf. Mit Hilfe des vorgeschlagenen angepassten Konzeptes sollen Seminare neu gegliedert werden können, in denen Teilnehmer:innen sich die Lerninhalte vorab selbstständig erarbeiten und mit ihrem selbst erarbeiteten Wissen dann das eigentliche Seminar besuchen.
Co-Creation besteht im Kern aus zwei Dimensionen: Selbst etwas (er-)schaffen – nämlich Lernergebnisse. Und das Ganze gemeinsam mit anderen – Reflektion und Austausch in der Lerngruppe, im Arbeitsumfeld und mit der Seminarleitung („Lernbegleiter:in“). Zu diesem Kernthema gibt es einiges an Literaturzitaten, wer mag kann also tiefer eintauchen.
Gut gefallen haben mir besonders zwei Begriffe, die ich hier entdeckt habe: Double loop learning vs. Single loop learning. Double loop learning umfasst auch die Reflektion über Fortschritte und Lernprozess plus das, was man im Single loop learning im Fokus hat: Verbesserung der eigenen Performance, ausgerichtet auf Ziele/Erfolge im Beruf, d. h. unternehmerische Ergebnisse.
Was mir nicht gut gefallen hat, ist der Praxisbezug, der für mich zu wenig vorkam. So hätte ich mir einige ganz konkrete Praxisbeispiele gewünscht. Etwas, das mir vermittelt, dass die Theorie in der Praxis schon mal funktioniert hat. Denn z. B. beim Abschnitt zu IMPACT Solo, der beschreibt, wie ein/e einzelne/r Lernende in einem konventionellen Seminar allein das Flipped Learning praktiziert, habe ich große Zweifel. Denn diese Person käme mit viel mehr Wissen und gar ersten Erfahrungen eine Gruppe, die im Extremfall auf Frontalunterricht eingestellt ist. Das kann gruppendynamisch schwierig werden. Womöglich käme es zur Ausgrenzung dieser Person durch die Gruppe. Darauf wird leider mit keinem Wort eingegangen. Ganz am Ende steht dann noch der Wunsch an Unternehmen / Führungskräfte, dass sich alle doch das vorgestellte Konzept aneignen mögen (mit dem Eindruck, dann wird alles gut). Das ist nach dem theorielastigen Buch für mich ein großer Gap – wie mein Omma sagen würde: „So wird datt nix“.
Die Autoren sind ein Organisationspsychologe und ein Professor für Leadership, Personal- und Gesundheitsmanagement. Sie bzw. ihre Erfahrungen kommen aus Deutschland und der Schweiz.
Fazit: Von Bildungswissenschaftlern für Bildungswissenschaftler:innen, für mich zu wenig Praxisbezug drin.
Themen
- Weiterbildung betrachten: Formate, Rechtliches, Weiterbildungsmarkt…
- Ökonomische Trends: Demografie, Fachkräftemangel, …
- Remote Work
- Charakteristik digitalen Lernens
- Digital Leadership
- Resilienz & Lernen
- Dilemma: Was soll gelehrt werden? Was braucht es wirklich?
- Digitale Ethik
- Selbstorganisation
- Lernprozessbegleitung
- Lernerfolg, Wirksamkeit und Selbstwirksamkeit
- Learning on the Job
- Flipped Classroom
Georg Michalik und Volker Schulte: „Co-Creation Learning. Wirksame Weiterbildung mit Flipped Classroom“. Schäffer-Poeschel 2022. 39,95 EUR. ISBN 978-3-7910-5774-3.
Maria