Das „Mensch-erwisch-Dich-Spiel“ mit Entwicklungspotenzial

The Responsibility Process

CoverWie erkennen wir unsere mentalen Denkmuster, die beeinflussen, wie wir Entscheidungen treffen? Muster, die beeinfluss, wie wir uns und andere führen? Wie wir bewusst Verantwortung übernehmen?

Der Autor zeigt einen Weg, diese Muster zu erkennen („sich zu erwischen“) und durch bewusste Verantwortungsübernahme übliche Sackgassen-Strategien zu überwinden. Sein Modell beschreibt gegebene menschliche Verhaltensmuster, die sich durch diese Stufen bezeichnen lassen:

  • Beschuldigen
  • Rechtfertigen
  • Schämen
  • Verpflichtung
  • Verantwortung = das Problem wirklich annehmen und kreativ lösen

Im Artikel „Weiterentwicklung… Verantwortung :-)“ hatte ich den Prozess 2018 schon mal kurz vorgestellt.

Jetzt habe ich mir das Buch vorgenommen. Und fand es schwierig zu lesen. Warum? Im Stil wirkt das Buch auf mich zu marktschreierisch: Tu Es! Es wird dein LEBEN verändern!! Wenn Du DAS tust, wirst Du ein GROSSARTIGES LEBEN führen! Naja, nicht wortwörtlich zitiert, aber so fühlt es sich an.

Und immer wieder die Wiederholung, wie viele Personen wirklich großartige Erfahrungen damit gemacht haben. Das mag für die amerikanische Zielgruppe passen. Bei mir hat es leider das Gegenteil bewirkt: Jedes Mal fühlte ich diesen Widerstand, doch noch weiterzulesen. Ich finde das wirklich anstrengend.

Die Beispiele sind für meinen Geschmack etwas rar gesät. Einige sind wirklich gut, vor allem die aus dem Arbeitsleben, das meinem ähnelt. Da kann man z. B. ein Missverständnis klären und andere Lösungswege vorschlagen, möglichst immer im Sinne einer Win-Win-Strategie.

So Verantwortung für die Situation und für mein Handeln zu übernehmen ist gut und funktioniert erstaunlich oft (nein, nicht immer).

Alles in allem würde ich das Buch deutlich kürzen (Argumente und Wiederholungen, warum das toll ist, weglassen). Ich würde den Stil an die deutsche Kultur anpassen; angefangen vielleicht schon damit, dass nicht alles Prozessstufen IN GROSSBUCHSTABEN auf jeder Seite gefühlt IMMER und IMMER wieder im Text hervorstechen. Vielleicht formuliert man einfach so, dass sich die übliche Definition von „Verantwortlich sein“ und „Verantwortung übernehmen“ gut genug auseinander halten lassen. Mit einer Definition am Anfang und einem leicht zugänglichen Glossar am Ende, welcher Begriff was meint (z. B. Verantwortung vs. Verantwortlichkeit / Zuständigkeit). Einmal darüber zu schreiben, dass es da Unterschiede im Verständnis gibt, reicht aus. In Beispielen kann man dann immer wieder darauf verweisen, wenn man Angst hat, dass die Leser:innen es bis dahin vergessen haben… Aber bitte nicht jedes Mal neu erklären mit denselben oder ähnlichen Worten, als würde man jetzt sofort wieder in die Falle laufen, die falsche Perspektive im Kopf zu haben.

Puh.

Dennoch: Ein großartiges Modell!

Im Kern geht es darum, wie wir mit Problemen umgehen können. Probleme in diesem Sinne ist der Lücke zwischen Ist und Wunsch , verbunden mit einer negativen Emotion. Oft hilft der Prozess tatsächlich dabei, das Problem zu lösen bzw. ein gutes Ziel zu erreichen; eventuell ein anderes als zunächst gedacht, was gut oder besser sein kann. Manchmal ändern wir einfach unsere Einschätzung, und das hilft dann auch.

Hätte ich nicht andere Dinge zu tun, würde es mich fast in den Fingern jucken, selbst einen Pocketguide dazu zu schreiben, der wirklich in die Hosentasche passt und gut zum Nachschlagen und Weitergeben taugt. So lange nehm ich die Postkartenvariante.

Handwerklich gut: Vorn und hinten im Umschlag ist das „Prozessposter“ mit den verschiedenen mentalen Zuständen. Schön wäre nur, wenn eins davon die Kurzdefinitionen auch noch enthielte. Es gibt Verweise auf die Website für weitere Inhalte (u. a. ein Handbuch für Führungskräfte, andere zu motivieren, den Responsibility Process zu übernehmen: „Coaching success: Getting people to demonstrate responsibility and take ownership„).

Fazit: Der Prozess als solcher = großartig. Die Aufbereitung des Themas ginge besser.

Themen

  • 7 mentale Zustände: Leugnen, Verpflichtetfühlen & Co.
  • 5 Schritte zur Verantwortung
  • 3 Schlüssel: Absicht, Aufmerksamkeit und Sich-Stellen
  • Freiheit und Macht erlangen
  • Verantwortung vs Verantwortlichkeit/Zuständigkeit: „Was will ich“ statt „was soll ich“
  • Ziele entwickeln
  • Erfolgsprinzip, Erfolge (neu) definieren und Erfolge feiern
  • Selbstführung & „Andere führen“
  • Menschen fördern
  • Ursache und Wirkung
  • Governance und persönliche Verantwortung
  • Komfortzone ausweiten: Verstehen und Üben von Verantwortung
  • „Mensch-erwisch-dich-Spiel“
  • Beziehungen, Macht und das größere Spiel
  • Hinter sich aufräumen
  • Umgang mit Zynismus und Sarkasmus
  • Positive Verstärkung

Christopher Avery: „The Responsibility Process. Wie Sie sich selbst und andere wirkungsvoll führen und coachen“. dpunkt 2018. 24,90 EUR. ISBN 978-3-86490-577-3.

Thema vorgestellt von Christopher Avery auf YouTube (Dauer 1:11:10):
www.youtube.com/watch?v=HOdNfdLf124

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