Einerseits, andererseits… soll ich oder soll ich nicht?

Einfach gut entscheiden!

CoverPuh, an die Schreibe musste ich mich echt erst gewöhnen. Der Schreibstil ist mir persönlich etwas zu selbstbewusst. Die beiden wollen mich auf dem Weg „zu… optimalen, für Sie einzig richtigen Entscheidungen… begleiten.“ Mannomannomann, die Einleitung schmiert die Butter echt fingerdick aufs Brot. Noch mehr Beispiele gefällig? Gern, da gibt es diese komische Eindeutschung mit „Zielstrich“ für Deadline; abgesehen, davon, dass diesen Begriff mittlerweile alle verstehen, heißt das doch Stichtag, Termin oder Frist. Oder: „… Sie entscheiden besser… und kommen entscheidend besser mit anderen Menschen zurecht“ – reim dich, oder ich fress dich, ja? Oder das: „Sie haben bewiesen, dass Sie gut entscheiden können, indem Sie dieses Buch gekauft haben“. So? Meint Ihr das? Ihr seid die Heilsbringer? Na, dann wollen wir mal sehen…

Okay, vergessen wir die Einleitung und kommen zum Kern. Die vorgestellten Erläuterungen, Tipps und Methoden sind nämlich viel besser als das sprachliche Talent der beiden Schreiberlinge. Auch wenn die Walt-Disney-Methode gut eingeführt, aber leider nur bruchstückhaft erklärt ist. Das geht besser.

Der erste konkrete Tipp, den ich hier aufgreifen möchte, ist der: Gerät man sich selbst beim Entscheiden immer wieder in die Quere, sollte man sich gezielt „Gegenregeln“ überlegen. Für Spontanentscheider heißt das: Zuerst mind. 1 Minute überlegen, ob sofort entschieden werden muss oder ob die Entscheidung noch Zeit hat  oder haben muss (z. B. um weitere Infos einzuholen). Oder für Endlosunentschlossene: Deadline setzen, wann die Entscheidung spätestens fallen muss, wann mit der Informationsrecherche Schluss ist. Gut gefallen hat mir auch die klar dargestellte Abgrenzung von Risikomanagement und Krisenmanagement. Rückschläge vorhersehen bzw. Überraschungen vermeiden als Kern des Risikomanagements. Und Krisenmanagement als Feuerlöschen. Viele der Tipps im Buch sind gut, wie ich aus eigener Erfahrung und Anschauung weiß. Und jetzt mal ein paar konkretere Einblicke…

Hirnforschung und Neuroplastizität

Hier steht’s: Warum die Verdrahtung im Gehirn den freien Willen einschränkt und offensichtliche Entscheidungsoptionen (Gewohnheitsänderungen!) so schwierig sind. Dazu gibt es Hinweise, wie man diesem Dilemma doch entkommen kann. Wille und Wissen allein reicht eben nicht. Aber wem sag ich das. Als Beispiel für Neuroplastizität beschreiben die Autoren, wie ein 7-jähriges Mädchen das mal ausprobiert hat, nachdem es zufällig ein Gespräch der Erwachsenen mitbekommen hat, Thema: „Neuprogrammierung des Gehirns“ durch Selbstansagen. Da hat sie sich fest vorgenommen, nicht mehr kitzlig zu sein („Kitzligsein aus“). Und nach einer halben Stunde kichert sie nicht wie sonst immer völlig willenlos los. Sie lächelt nicht mal müde, als die Erwachsenen sie kitzeln. Und es kommt noch besser, sie schaltet sich danach wieder neu („Kitzligsein ein“), weil sie meint, dass das so doch lustiger ist ;-)

Was lernen wir daraus? Umgewöhnen ist – im Prinzip – einfach, erfordert aber Disziplin und Geduld. Daran ist nicht das WIE schwierig, sondern das TATSÄCHLICH auch TUN, immer wieder und wieder. Bis die neue Straße im Gehirn besser und damit schneller und zuverlässiger ist als die alte.

Expertise einschätzen und Erfolg planen

Einer meiner Lieblingstipps aus dem Buch ist die Frage: „Was Sie mir empfehlen – würden Sie das auch selbst tun oder Ihren Kindern empfehlen?“ Die kann man z. B. stellen, wenn die Ärztin bei einer Feld-Wald- und Wiesen-Krankheit eine mir unverständliche Therapie vorschlägt. Das ist viel einfacher, als eine zweite Meinung einzuholen und verbessert die eigene Fähigkeit zur Einschätzung „fachfremder“ Sachverhalten ungemein. Geht natürlich nicht mit Autoverkäufern ;-)

Im Kapitel „Ziehen Sie’s durch!“ ist dargelegt, wie Erfolg planbar ist. Voruassetzung dafür ist allerdings, dass ich mir die Mühe mache, konkret genug zu werden. Das kann ich durch eine gute Übergabediskussion bei der Aufgabenverteilung erreichen, durch adäquates Planen o.ä. Soll heißen: Vage Ziele erreicht man selten.

Fazit: OK, größtenteils gute bis sehr gut Tipps. Abzüge in der B-Note für teilweise schlichten schlechten Schreibstil und schlechte Visualisierung (Aufzählungspunkte sind nicht böse!)

Themen

  • Entscheidungsregeln
  • Unvernunft ist stark
  • Entscheidungsmuster überwinden
  • Neuroplastizität: Hirn neu verdrahten
  • Sicherheit
  • Souveränität
  • Komplexität
  • Vorausschau
  • Risikomanagement: Überraschungen vermeiden
  • Wie man es dann auch tut
  • Hilfreiche Prinzipien
  • Zehn Faustregeln
  • Bewusst entscheiden

Johanna Joppe und Christian Ganowski: „Einfach gut entscheiden!“. humboldt 2009. 9,90 EUR (D). ISBN 978-3-86910-756-1. E-Book: ISBN 978-3-86910-928-2.

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