Drive
Empfohlen bekam ich das Buch auf der SEACON von Leuten, die bereits viele „Managementexperimente“ für sich und ihre Firma ausprobieren. Dan Pink unterteilt Motivation in drei verschiedene Betriebssysteme: Motivation 1.0 (Überleben ermöglichen), Motivation 2.0 (belohnen und bestrafen) und Motivation 3.0 (intrinsische Motivation ermöglichen).
Derzeit erleben die meisten von uns ein Organisationssystem, das mit Belohnung (Prämien etc.) und Bestrafung (z. B. sinn-lose Kontrolle der Arbeit oder unnötig starre Arbeitszeiten) hantiert. Zu dieser Motivation 2.0 zählt für den Autor auch die herkömmliche Idee von „Management“ (der klassische Taylorismus, Steuerung von Fließbandarbeit etc.). Die meisten Belohnungssysteme arbeiten mit „Wenn-Dann-Belohnungen“, die vorher für das Ergebnis einer bestimmten Aufgabe ausgelobt werden. Diese Art von Belohnungen können leicht zu schlechten Ergebnissen oder weniger Einsatzbereitschaft führen. Studien mit Kindern haben z. B. gezeigt, dass solche Belohnungen dazu führen, dass diejenigen Kinder, die gern malten, später keinen Spaß mehr daran hatten zu malen. Weil es durch die versprochene Belohung „Arbeit“ und nicht mehr „Spaß“ war. Besser ist da schon die „Nun-Da-Belohnung“, die nach einer besonderen Leistung erfolgt. Was aber nur für Routineaufgaben mit hohem Langweiligkeitsfaktor funktioniert. Und besser mit der Information einhergeht, warum diese Aufgabe überhaupt erledigt werden muss.
Als ersten Schritt zur Motivation 3.0 empfiehlt der Autor verschiedene gar nicht mal so schwierige Änderungen: Dass Vorgesetzte Sachverhalte auch aus der Sichtweise des Mitarbeiters sehen, relevante Informationen und aufschlussreiches Feedback geben, freie Hand bzgl. Vorgehensweise und Zeitplan lassen und zu eigenen neuen Projekten ermutigen.
Leider verliert das Buch in der B-Note ein kleines bisschen: Vor allem der extrem amerikanische Stil nervt („ich kenne die Wahrheit, setzt nur meine Idee um, und schon wird alles besser“). Die Übersetzung ins Deutsche ist stückweise holprig, Phrasen stimmen nicht, grammatikalische Fehler und falsche Formulierungen schmälern die im Kern klugen Gedanken. Im Text eingestreute Zitate erschließen sich nicht immer, erscheinen willkürlich dazwischen gezwängt. Kritische Punkte gegenüber den neuen Ideen kommen leider recht kurz. Seinlassen: Onlinetest auf www.danpink.com/drive.html, das ist eigentlich lediglich eine Reihe von Wissensfragen zum Buch. Diesen schlechten Test sollte der Autor besser in die Tonne hauen, wenn er ernst genommen werden möchte. Wäre der Autor nicht so selbstverliebt (er weiß, was der „Naturzustand“ [sic!] des Menschen ist), täte das dem Buch sicher gut. Naja, vielleicht liegt es ja teilweise doch nur an der schlechten Übersetzung…?
Gelernt hab ich z. B. etwas über die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan, nach der es folgende „psychologischen Bedürfnisse“ gibt: Kompetenz (ich kann was), Selbstbestimmtheit (ich darf es tun, wie ich denke) und Verbundenheit (ich tue es, mit wem ich möchte). Hindert uns jemand daran, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden, sinken Motivation, Produktivität und Freude.
Sehr angenehm auch die Abschnitte, in denen der Autor Csikszentmihalyis Untersuchungen und Überlegungen zum Flowerlebnis erklärt, inklusive eines Schlüsselerlebnisses des Forschers auf der Flucht im 2. Weltkrieg. Da bekommt das Buch mal die verdiente Tiefe.
Zum Thema Lob gibt der Autor vier Tipps, die nicht nur Eltern helfen, sondern auch Führungskräfte besser loben lassen könnten. Darunter: Nur loben, wenn es einen guten Grund dafür gibt. Verkaufen Sie Ihr Gegenüber nicht für dumm. Menschen durchschauen falsches Lob in einer Nanosekunde. Yep.
Noch ein Tipp aus dem Buch: Jedem (Mitarbeiter/innen, Teammitgliedern o.ä.) gibt die Führung eine kleine Karte – etwa eine halbe Postkarte – und lässt darauf alle schriftlich eine Frage beantworten: „Worin liegt der Sinn unserer Organisation?“ Die Antwort darf maximal einen Satz haben (evtl. noch maximal einen Nebensatz). Danach die Antworten ansehen: Was für Antworten gibt es überhaupt? Sind sie ähnlich oder unterschiedlich? Wenn sie unterschiedlich sind, sind sie „durcheinander“? Gibt es Antworten ohne Meinung? Danach hat die Führung einen Eindruck, was ihre Leute für eine Sicht haben. Offen bleibt für mich hier die Frage, warum die Leute ehrliche Antworten geben sollten. Dazu müsste die Führung schon sehr viel Vertrauen genießen oder glaubhaft machen können, dass das Beantworten der Fragen Allen etwas bringt.
Es gibt einige ausführlich und gut kommentierte Literaturtipps. Einen Spieltipp hab ich mir mal angesehen: Sehr hübsch ist flOw (http://interactive.usc.edu/projects/cloud/flowing/), das darauf ausgerichtet ist, Flowerlebnisse hervor zu bringen. Es geht nicht nach festen Leveln vor, sondern erlaubt, die Herausforderungen gemäß der eigenen Fähigkeiten anzugehen. Außerdem spielt es im Wasser (Plot: den Mehrzeller füttern) und wirkt schon deswegen eher beruhigend auf mich. Wirklich nett. Dazu online und für umme.
Fazit: Interessante Ideen; es ist notwendig, den amerikanischen „so-funktioniert’s“-Stil auszublenden
Themen
- Zuckerbrot und Peitsche: warum es nicht funktioniert, wann es trotzdem geht
- Intrinsische vs. extrinsische Motivation
- Selbstbestimmung
- Perfektionierung
- Sinnerfüllung
- Strategien für intrinsisches Verhalten
- Rahmenbedingungen für intrinsische Motivation schaffen
- Tipps für Eltern und Schule
- Ein paar Vordenker
- Trainingstipps für jeden Einzelnen
- Diskussionsleitfragen, um über das Buch zu debattieren
Daniel H. Pink: „Drive. Was Sie wirklich motiviert“. Ecowin 2009. 21,90 EUR (D) / 21,90 EUR (A). ISBN 978-3-902404-95-4.
Seht Euch dazu auch mal Pinks Vortrag „Motivation jenseits von Prämien“ an!
Maria