Soziokratie 3.0
Der Roman stellt ein praktisches Modell für eine agile, widerstandsfähige und sinnstiftende Arbeitsweise in Organisationen vor: Soziokratie 3.0.
In der Story geht es um Chris. Er erhält überraschend das Angebot, neue Geschäftsführer zu werden. Und steckt damit erstmal in eine Dilemma: Das Angebot annehmen? Und dann? Eine ganze Unternehmenskultur drehen?!? O Gott!
Nur gut, dass seine Frau Kate aus der Distanz immer wieder auf das Wesentliche verweisen kann. Und durch die Reflektion der beiden verstehe ich als Leserin auch besser, worum es geht.
Der Name Soziokratie klingt sehr sperrig. Das liegt daran, dass er schlicht einfach nur beschreibt, um was es geht: Soziokratie ist eine Organisationsform, mit der eine Organisation jedweder Größe konsequent Selbstorganisation umsetzen kann. Hier herrscht (griech. kratein (regieren)) also die soziale Gruppe (lat. socius (Begleiter)) = SozioKratie. Als Soziokratie 3.0 basiert diese Fassung auf Erkenntnissen der Systemtheorie, und sie passt sehr gut zu wirklich agil organisierter Arbeit.
Klingt abstrakt? Zurück zur Story: Chris stellt fest, dass die bisherige Struktur und Arbeitsweise ernste Probleme verursacht hat: Lieferschwierigkeiten stellen das Überleben seines Unternehmens in Frage! Er trifft Bernie, und Bernie kennt sich aus mit Arbeit in einem komplexen Umfeld. Er zeigt Chris, wie er die richtigen Leute zum aktuell dringendsten Problem bringen kann.
Weiter in der Theorie: Am Anfang steht eine Situation, auf die die Organisation reagieren muss. Die Ausgangslage bildet die Gleichstellung, d. h. im Grunde kann jede Rolle von jeder Person übernommen werden – sofern sie die passenden Skills hat. Das macht die Organisation flexibel. In diesem Sinne gehören die Idee kollektiver Intelligenz und einer anpassungsfähigen Organisationsstruktur zum Fundament. S3 bietet dafür eine Reihe bewährter Muster, um Komplexität zu beherrschen und effektiv zusammenzuarbeiten.
Erzählt wird die Geschichte der Erneuerung eines typischen Technologieunternehmens, das aufgrund seines starken Wachstums in Schwierigkeiten gekommen ist: Entscheidungen werden zu langsam getroffen, es mangelt an Kommunikation und der Teamgeist geht verloren – typische Probleme. Als Geschäftsführer steht Chris nun vor der Aufgabe, das Unternehmen zu retten.
Das Management steht zuerst im Mittelpunkt, die Führungskräfte müssen sich der Aufgabe stellen, die Lernkurve zuerst zu bewältigen, damit sie die anderen unterstützen können. Das gelingt bei der einen besser, bei dem anderen schlechter – auch hier wie im richtigen Leben. Chris lernt, dass er mit seiner Haltung, auf Leute zuzugehen, sehr gut zum Umbau der Organisation passt. Er beherrscht die Kunst des Loslassens mehr als die anderen „altgedienten Herren“, die sich eigentlich schon auf den Geschäftsführerjob vorbereitet hatten. Der Eiertanz gehört dazu, Chris führt auch hierzu Gespräche, und – ja – auf dem Weg verliert er auch einen Kollegen, der sich schließlich entscheidet zu kündigen.
Nach den Manager:innen finden sich weitere Leute in Gruppen zusammen, die aus Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen und Abteilungen bestehen dürfen. Und hier zeigt sich: Hat man erst das Problem richtig verstanden, ein passendes Ziel definiert, „gut genug für jetzt und sicher genug zum Ausprobieren“, dann zeichnen sich mögliche Lösungswege allmählich ab. Und nicht umgekehrt, jemand kennt eine Lösung und möchte sie sofort in dne Ring werfen…
Und so geht es in eine erfolgversprechende Richtung. Ergeben sich neue Erkenntnisse (oder neue Einwände), dann kann man nach Bedarf sofort auf einen Trigger hin oder in geplanten Evaluierungsschleifen nachsteuern.
Die Geschichte liest sich flüssig und fluffig. Pluspunkt.
Leider habe ich nicht alle Methoden direkt so gut verstanden, dass ich sie anwenden könnte. (Naja, die Autoren wollen ja auch noch Beratung verkaufen…) Trotzdem: Die Ideen und der modulare Aufbau mit der Kernidee gefällt mir gut. Und das Buch stellt das auch gut dar.
Besonders lehrreich – wie immer – sind die Fehler und die Komplikationen, die in der Story auftreten. Denn am spannendsten ist ja, wie man mit Schwierigkeiten umgehen kann, denn das ist meist die größte Frage auf dem Weg zum Erfolg.
Die einfachste und für mich magischste Methode taucht öfter auf, so dass man sie sich gedanklich richtig einverleiben kann: Konsententscheidungen.
Fazit: In guter Storytellingmanier erklärt das Buch eine motivierende und ergebnisorientierte Arbeitsweise, inspirierend und anschaulich.
Themen
- Sicht auf das zugrunde liegende Problem (statt Symptombehandlung)
- Zwischenmenschliches
- Ziele setzen
- Verbindliche Absprachen
- Transparenz
Jef Cumps (Übersetzung Stefan Roock): „Soziokratie 3.0 – Der Roman. Das volle Potenzial von Menschen und Organisationen freisetzen. Leitfaden für die Schaffung von belastbaren, innovativen und humanen Organisationen“. dpunkt 2021. 26,90 EUR. ISBN 978-3-86490-782-1.
Weitere Infos auf www.sociocracy30.org, hierzu besonders lesenswert natürlich die Übersicht über die Muster: https://patterns-de.sociocracy30.org/pattern-index.html
Und fürs Verständnis hilfreich ist das Glossar: https://patterns-de.sociocracy30.org/glossary.html
Maria