Die Essenz von Kanban
Das Buch lädt zum Mitnehmen und schnell Reinlesen ein, wenn man sich das kleine und dünne Format ansieht. Rund 50 Seiten Text, dazu nochmal ein Anhang von 46 Seiten. Wer Kanban noch nicht kennt, wird sich mit diesem knappen Extrakt nicht leicht zurechtfinden. Das kann zum Einen daran liegen, dass es eben eine Essenz ist, was eher Profis anspricht. Zum Anderen finde ich die Übersetzung bzw. den Sprachstil …. hmmm… irgendwie kantig. Die Sätze fließen nicht, haben keine Melodie oder es ist schwierig, den eigentlichen Punkt herauszulesen. Ein Beispiel: „Das System und Board-Design sozialisieren und die Implementierung aushandeln.“
Und weiter… im Glossar stehen die üblichen Begriffe erklärt. Hier frage ich mich einerseits, wann ein Begriff es auf die Liste geschafft hat (manche Begriffe sind m. E. sehr allgemein und haben nicht direkt etwas mit Kanban-spezifischen Bezeichnungen zu tun). Andererseits habe ich aufgehört, mir alle Definitionen durchzulesen, nachdem diejenige zur Wissensarbeit wie folgt lautet: „Wissensarbeit – Arbeit, die in erster Linie durch die Anwendung und Entwicklung von Wissen erbracht wird; Arbeit, die von Wissensarbeitern geleistet wird. Verwandter Begriff: Kanban (1)“. Aha.
Dann stört mich noch die Entscheidung, Fußnoten nicht am Seitenende, sondern am Buchende einzufügen. Denn dort sind nicht nur weiterführende Informationen enthalten, sondern tatsächlich Einschübe, die für das Leseverständnis einigermaßen hilfreich wären.
Noch ein letztes Beispiel, warum mich das Buch nicht begeistert:
Wer so eine Grafik in Erwägung zieht, muss schon seeeehr gute Gründe dafür haben. Kann man machen. Ist das eine gute Visualisierung? Macht Euch selbst ein Bild ;-)
Ein paar Themen im Buch sind ganz gut dargestellt. Leider ist ein großer Teil scheinbar dem Versuch zum Opfer gefallen, praktisches Erfahrungswissen in teils immens großen Anwendungskontexten (Firmen, Konzerne) in kleine Textfragmenten zu komprimieren. Oder die Autoren bzw. Übersetzer können nicht gut knapp, präzise UND verständlich formulieren. Wobei Herr Anderson in seinen anderen Büchern ja schon besser zu lesen war.
Die Kernpraktiken sind einigermaßen vernünftig aufgelistet: Visualisierung, WIP, Arbeitsflussmanagement, Prozessregeln, Rückkopplungsschleifen, ständige Verbesserung und Experimente. Der KANBAN-Lackmustest, der hier beschrieben ist, hat die relevanten Komponenten „Führungsverhalten“, „Kundenschnittstelle“, „Kundenvertrag“, „Geschäftsmodell“. Okay, das gibt ein paar Ideen für den eigenen Kontext.
Fazit: Definitiv nix für Einsteigerinnen; vielleicht was für zertifizierte Kanban-Kenner?
(Ich würde gern mal die englische Ausgabe dagegenhalten, ob die lesefreundlicher ist.)
Themen
- Change-Management-Prinzipien
- Service-Delivery-Prinzipien
- Littles Gesetz
- STATIK: Systems Thinking Approach to Introducing Kanban
David J. Anderson und Andy Carmichael: „Die Essenz von Kanban. Kompakt“. dpunkt 2018. 14,95 EUR. ISBN 978-386490531-5.
Empfehlung an Autoren bzw. Übersetzer für eine Neuauflage: Vorher das Hamburger Verständlichkeitskonzept für Texte lesen und dann die vier Merkmale berücksichtigen ;-)
Hab ich die Wahl, würde ich eher eins hiervon zur Hand nehmen:
- Klassiker von Anderson: www.infotechnica.de/blog/2011/02/01/yes-he-kanban
- Schnelleinstieg: www.infotechnica.de/blog/2012/07/02/agil-in-ein-paar-minuten
- Nur das Board: www.infotechnica.de/blog/2012/08/29/kanbanboard-kompakt
- Als Folien: www.infotechnica.de/blog/2012/08/24/kanban-in-folien
- Kanban + Scrum: www.infotechnica.de/blog/2011/08/24/standardwerk-uber-scrum-kanban-und-beides-zusammen
Maria