Pilgern auf dem Jakobsweg
Wandern ist zur Zeit für mich das Beste, was zwischen dem ganzen Alltagskram auch noch da ist. Deswegen hatte ich die Idee, mir mal DEN WEG anzusehen. Nicht persönlich (noch nicht…), aber mit den Augen anderer Wanderer. In diesem Fall: Pilgerinnen und Pilger, nämlich Annie aus Amerika, Jack & Wayne aus Kanada, Misa aus Dänemark, Sam aus Brasilien, Tatiana aus Frankreich und Tomás aus Portugal.
Entlang waldiger Hügel, idyllischer Dörfer und Autobahnen (ja, auch!) verläuft etwas Mystisches, das jedes Jahr Tausende in seinen Bann zieht: Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Kurz: Der Camino.
„Aus welchen Gründen pilgern Sie?“ ist eine der Fragen auf dem Formular, das man vor der ersten Etappe in Frankreich ausfüllt. Die Antwort ist individuell, je nach Lebenserfahrung, Sehnsucht oder persönlicher Krise. Daraus ergeben sich Geschichten, die von der menschlichen Würde erzählen, sich nicht einkriegen zu lassen vom Leben. Sondern die Wanderschuhe zu schnüren und sich für längere Zeit auf eine Parallelwelt einzulassen.
Mit jedem Schritt schwinden die 800 Kilometer bis Santiago dahin, werden Beziehungen geknüpft, Blasen aufgepiekst. Das Gepäck wird nach überflüssigem Gewicht durchforstet und viel, viel, viel weggeworfen, von dem man dachte, man könnte ohne es nicht leben. Innerlich vollzieht sich ein Wandel, bei dem sich der Camino als Lehrmeister zeigt: An die Stelle des hastigen Ankommenwollens und Vergleichens mit anderen tritt allmählich Gelassenheit. Okay, vielleicht nicht in dem Moment, wo der halbe Schlafsaal Dich durch Schnarchen vom Schlafen abhält ;-) Aber selbst das ist irgendwann nicht mehr so wichtig.
Fazit: Zugucken ist ein bisschen so, wie selbst dort sein (für 84 Minuten)…
Lydia Smith: „Pilgern auf dem Jakobsweg. Sechs Wege nach Santiago“. Kamphausen Mediengruppe 2016. 19,95 EUR (D). ISBN 42-6039851-039-0. 84 Min + 34 Min Interview mit der Regisseurin.
Website: www.caminodocumentary.org
Maria